Die Zukunft ist jetzt – der DeKonBot 2 desinfiziert autonom mit Arm, Bürsten und Künstlicher Intelligenz

  • Interview

Das Fraunhofer IPA in Stuttgart hat einen Roboter entwickelt, der speziell für die Reinigung und Desinfektion von hochfrequentierten Räumen und häufig angefassten Oberflächen programmiert wurde. Dr. Birgit Graf begleitete seine Entstehung und erläutert im Interview, was DeKonBot 2 genau kann und was ihn von anderen Reinigungsrobotern unterscheidet.

21. Januar 2022

Sehr geehrte Frau Graf, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für ein Gespräch genommen haben. Wir sitzen nicht weit voneinander entfernt, haben uns pandemiebedingt aber für ein Telefonat entschieden. Seit wann sind Sie für das Fraunhofer IPA tätig und welche A

Ich arbeite schon seit über 20 Jahren beim Fraunhofer IPA. Von Haus aus bin ich Informatikerin, habe in der Robotik promoviert und leite seit vielen Jahren die Gruppe „Haushalts- und Assistenzrobotik“. Die Reinigungsrobotik war für uns von Beginn an ein relevantes Thema. Unsere ersten Entwicklungen beschäftigten sich mit Robotern im Consumer-Bereich. Damals haben wir uns unter anderem über Navigationsstrategien mit kostengünstigen Sensoren Gedanken gemacht, aber auch komplett neue Roboter – beispielsweise für die Fensterreinigung – entwickelt. Unsere Projekte auf dem Gebiet der Bodenreinigung wurden in den nachfolgenden Jahren auch auf das gewerbliche Umfeld ausgeweitet. Neben neuen Technologien für die Büroreinigung steht aktuell im Mittelpunkt, wie wir insbesondere Einrichtungen im Gesundheitswesen unterstützen können. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde dabei das Thema Desinfektion noch wichtiger. Darüber hinaus gibt es aufgrund des Fachkräftemangels einen konkreten Bedarf. Als Forschungseinrichtung hatten wir ein klares Ziel: einen autonomen Helfer zu entwickeln, der komplexere Reinigungs- und Desinfektionsaufgaben durchführen kann als bisher verfügbare Produkte. Unser Roboter soll dem Personal im Optimalfall künftig zur Seite stehen, bestimmte Aufgaben übernehmen und sie damit entlasten.

Ihr Team hat schon einen Vorgänger entwickelt, auch gibt es viele andere Flächenreinigungsroboter – worin besteht der Unterschied zu DeKonBot 2?

Im Rahmen der Initiative „Fraunhofer vs. Corona“ entstand der DeKonBot 1. Durch die Pandemie und die Verbreitung des Virus war die Motivation zur Entwicklung eines autonomen Roboters, der ausgewählte Oberflächen wie Türklinken und Lichtschalter desinfiziert, sehr hoch. Für die erste Ausgabe nutzten wir einen vorhandenen Roboter und rüsteten ihn um. Es war ein Laborroboter mit einem Arm, der in der Lage ist, Proben zu transportieren. Wir ersetzten die Halterung für Proben durch ein Reinigungstool, welches mit Desinfektionsmittel angesprüht werden kann und dann die gewünschten Oberflächen abwischt. 

Die Entwicklung von DeKonBot 2 wurde in einem größeren Verbundprojekt mehrerer Fraunhofer-Institute ebenfalls im Rahmen der Initiative „Fraunhofer vs. Corona“ gefördert. Sie baut auf den gewonnenen Erfahrungen mit DeKonBot 1 auf und entwickelt diese weiter. Ein großer Unterschied ist die neue mobile Plattform, auf die er aufgebaut ist. Hier arbeiten wir mit dem Hersteller MetraLabs zusammen, der den fertigen Roboter im kommenden Jahr als Produkt auf den Markt bringen möchte. Außerdem haben wir seine Autonomie erweitert. Über Bildverarbeitungsprogramme und 3D-Sensoren kann DeKonBot 2 eine neue Einsatzumgebung und die zu reinigenden Oberflächen selbstständig einlernen. Hierfür muss er nur einmal durch die Umgebung gefahren werden. Und als dritten Punkt haben wir die Reinigungstechnik an sich erneuert. DeKonBot 1 arbeitete mit einem Reinigungstuch. Aber hier sahen wir die Gefahr der Keimverschleppung. Nachdem wir uns mehrere Konzepte angeschaut hatten, fiel die Entscheidung auf Bürsten, die nach jedem Arbeitsschritt automatisch desinfiziert werden. Das Bürstenwerkzeug ist an einem flexiblen Leichtbauroboterarm befestigt, der uns die Möglichkeit gibt, von verschiedenen Seiten an die zu reinigenden Oberflächen heranzufahren, sodass diese auch vollständig desinfiziert werden.

Was genau kann DeKonBot 2 säubern beziehungsweise welche unterschiedlichen Komponenten lassen sich mit dem Roboter verwenden?

Wie eben erwähnt, reinigt und desinfiziert DeKonBot 2 mit zwei Bürsten. Zum einen können diese auch groben Schmutz entfernen und zum anderen ist die Selbstreinigung praktikabel umsetzbar. DeKonBot 2 lagert die Bürsten während der Fahrt zwischen den zu säubernden Oberflächen in seinem Desinfektionsmitteltank, wo auch sie desinfiziert werden. Im Normalfall reicht unser Bürstenwerkzeug aus, um unterschiedliche Oberflächen zu desinfizieren. Um auf besondere Anforderungen in den Einsatzumgebungen einzugehen, haben unsere Projektpartner darüber hinaus weitere Tools entwickelt, die am Arm des Roboters angebracht werden können. Darunter sind ein vom Fraunhofer IOSB entwickelter Kasten, der über die komplette Türklinke gestülpt wird und diese mit UVC-Licht desinfiziert, sowie ein Plasmadesinfektionstool, das die Kollegen des Fraunhofer IST aufgebaut haben.

Für welche Einsatzgebiete ist DeKonBot 2 besonders geeignet?

An sich kann DeKonBot 2 in jedem öffentlichen Gebäude, auch unter Menschen, genutzt werden. Andere Desinfektionsroboter verwenden Chemikalien oder UV-Licht. Dann dürfen jedoch keine Personen mit im Zimmer oder auf dem Gang sein. Das Problem haben wir nicht, weil DeKonBot 2 ganz gezielt die Oberflächen anfährt und abwischt, wie das Reinigungspersonal es ebenfalls tun würde. Wir sehen das größte Potenzial für den Roboter in Einrichtungen des Gesundheitswesens, und das über Corona hinaus. Dort spielt das Thema Desinfektion grundsätzlich eine große Rolle und eine Wischdesinfektion ist unumgänglich. Überall dort, wo Oberflächen regelmäßig und täglich desinfiziert werden müssen, schafft DeKonBot 2 somit einen deutlichen Mehrwert. Ein weiterer Vorteil des Robotereinsatzes ist die immer gleichbleibende Reinigungsqualität. Die Dokumentation der durchgeführten Tätigkeiten erledigt der Roboter dabei ebenfalls vollautomatisch.

Ist der Einsatz am Objekt einfach? Wie erfolgt die Einrichtung des Roboters?

Uns war extrem wichtig, dass die Anwendung unkompliziert ist. Es ist ja nicht zu erwarten, dass Fachkräfte, die mit DeKonBot 2 arbeiten sollen, den gleichen technischen Hintergrund haben wie unsere Ingenieure. Daher muss der Roboter nur einmalig in der neuen Umgebung in Betrieb genommen werden. Ferngesteuert per Tablet fährt das Personal mit ihm durch das ganze Gebäude. Dabei wird DeKonBot 2 vor jedem zu reinigenden Detail, wie Türklinke oder Lichtschalter, positioniert. Mit seiner Sensorik erfasst er alle wichtigen Informationen wie Form, Höhe und Lage und speichert diese in seiner Datenbank. Nach dem Rundgang hat DeKonBot 2 einen genauen Plan vom Gebäude und ist anschließend in der Lage, alles komplett autonom abzufahren. Dann kann er Befehle entgegennehmen und genau da desinfizieren, wo er gebraucht wird.

Wie lange braucht DeKonBot 2 für seine Arbeit?

Noch braucht der Roboter wesentlich länger als sein menschlicher Partner. Wir gehen jedoch davon aus, dass der Roboter 24 Stunden am Tag im Einsatz ist und auch sein kann. Zwischendurch lädt er sich selbstständig an seiner Ladestation auf. Die Geschwindigkeit des Roboters wollen wir aber bis zur Marktreife noch verbessern.

Wie sieht es mit der Wirtschaftlichkeit aus. Ziel war unter anderem, ein kostengünstiges Gerät zu bauen. Ist das gelungen?

Hier haben wir wie folgt gerechnet: Wir haben die Kosten für eine Reinigungskraft, die die gleichen Oberflächen wie der Roboter desinfiziert, mit den Kosten für den Roboter verglichen. Wenn wir mit den angestrebten, höheren Robotergeschwindigkeiten rechnen, fallen bei einer üblichen Abschreibungsdauer von acht Jahren vergleichbare Kosten an. Um kleinere Einrichtungen oder Dienstleister nicht mit hohen Investitionskosten zu überfordern, könnten auch alternative Geschäftsmodelle zum Einsatz kommen wie bspw. Leasing oder „Robot as a service“. Damit würde nicht das Gerät, sondern die Dienstleistung erworben werden, und ein Unternehmen bezahlt, was tatsächlich gereinigt wurde.

Würde DeKonBot 2 denn auch einen kleinen Betrieb entlasten?

Der Einsatz lohnt sich vor allem dort, wo häufig desinfiziert werden muss. Wichtig für einen wirtschaftlichen Einsatz ist, dass der Roboter voll ausgelastet ist und er den ganzen Tag eingesetzt werden kann. Das kann sowohl auf größere Einrichtungen zutreffen als auch auf kleinere, in denen Oberflächen mehrmals täglich desinfiziert werden müssen. Als interessierter Dienstleiter sollte man sich die Frage stellen: „Wie wichtig ist die regelmäßige Desinfektion und wie viele Menschen sind im Gebäude unterwegs?“ Besonders attraktiv ist der Robotereinsatz in Umgebungen, wo gesetzliche Regelungen eine tägliche Desinfektion vorschreiben, hohe Qualitätsansprüche herrschen und zudem qualifiziertes Reinigungspersonal fehlt.

Bild oben: © Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez, Frau Dr. Graf mit einem modularen Bodenreinigungsroboter, der in einem früheren Projekt entwickelt wurde.

Bild Mitte: © Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez, Der DeKonBot 2 kann mithilfe seines Reinigungswerkzeugs unterschiedliche Oberflächen desinfizieren.

Bild unten: © Fraunhofer IPA/Foto: Rainer Bez, Für den Regelbetrieb wird das Tablet am Roboter befestigt und dieser fährt selbstständig von einem zu reinigenden Objekt zum nächsten.